„Die Erlebniswelt bringt Frequenz in die Innenstadt“

Geschäftsführer Werner Bensing im Interview über die Stadtentwicklungsgesellschaft

In der öffentlichen Wahrnehmung kümmert sich die Schlüchterner Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) ausschließlich um die Entwicklung der Erlebniswelt. Dabei macht die stadteigene GmbH noch deutlich mehr, als sich nur um die oberen zwei Etagen im Kultur- und Begegnungszentrum (KUBE) zu kümmern: Im Interview verrät Geschäftsführer Werner Bensing, welche Aufgabenbereiche die SEG konkret abdeckt – und was sie in diesem Jahr alles erreichen will.

Was genau macht die SEG?

Sie hat die Aufgabe, die neu entstehende Erlebniswelt im Kultur- und Begegnungszentrum möglichst erfolgreich zu betreiben. Dafür planen wir aktuell die komplette Inneneinrichtung, zum Beispiel die Hard- und Software der Kasse oder die Selbstbedienungs-Kaffee-Ecke. Wir erörtern und konzipieren außerdem die Prozesse und Arbeitsabläufe für das zukünftige Team der Erlebniswelt. Das ist aber nicht die einzige Aufgabe der SEG: Sie soll auch bezahlbaren Wohnraum in Schlüchtern schaffen und die Stadt punktuell bei weiteren Projektmanagementaufgaben unterstützen.

Welche Aufgaben sind das?

Zum Beispiel wird die SEG beim Management und bei der Verwaltung der städtischen Immobilien beratend zur Seite stehen und die Stadt künftig bei der Vermarktung des Bergwinkel-Museums und der Ferienspiele unterstützen. Die SEG wird aber auch bei der Ausrichtung und der zunehmend komplexer werdenden Organisation unserer Heimatfeste wie dem Kalten Markt oder dem Hellen Markt tätig werden. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist uns deshalb extrem wichtig. Nur gemeinsam können wir für Schlüchtern etwas Gutes bewirken.

Und warum kann die Stadt das nicht einfach selbst machen?

Zunächst hat die Konstellation mit einer Stadtentwicklungsgesellschaft große steuerliche Vorteile. Weil die SEG die Räumlichkeiten für die Erlebniswelt errichtet und anmietet, erhält die Stadt die komplette Mehrwertsteuer erstattet – das ist immerhin circa eine Million Euro. Außerdem ist die SEG – im Gegensatz zur Stadt – vorsteuerabzugsberechtigt, was weitere Einsparungen mit sich bringt. Generell ist eine GmbH, und das ist die SEG ja, dazu verpflichtet Gewinne zu erzielen, um nicht Insolvenz anmelden zu müssen. Dieser privatwirtschaftliche Druck sorgt dafür, Projekte profitabel gestalten zu müssen. Und der marktwirtschaftliche Blick von außen bringt sicherlich auch zusätzliche Denkansätze und Ideen. Die Stadt hat mit der SEG quasi zusätzliche Kräfte gewonnen, die beratend, unterstützend und konzeptionell unter die Arme greifen können. 

Wie groß ist das SEG-Team aktuell?

Da ist zunächst unser Prokurist Thorsten Kalinowsky zu nennen, der in der Stadtverwaltung auch als persönlicher Referent des Bürgermeisters Matthias Möller tätig ist. Seine internen Kenntnisse, sein Wissen aus der freien Wirtschaft und seine Kontakte in die Verwaltung sind für uns unverzichtbar. Seit August arbeitet auch Franziska Fiedler-Leipold als Projekt- und Kooperationsmanagerin für uns. Sie ist mit ihrer Qualifikation ein echter Glücksfall für unser kleines Start-up. Schließlich kümmere ich mich als Geschäftsführer um das große Ganze, wie Strategie und Planung sowie die Aufgabenverteilung.

Warum sind gerade Sie Geschäftsführer geworden?

Ich war von Beginn an in die Planungen involviert und habe meine Expertise eingebracht, um das Baby „Stadtentwicklungsgesellschaft“ aus der Taufe zu heben. Als die Anfrage vom Bürgermeister persönlich kam, musste ich nicht lange überlegen. Ich bin von dem Projekt absolut überzeugt. Es bietet die einmalige Chance, Schlüchtern entscheidend mit zu entwickeln und die Innenstadt wieder zu beleben.

Und das soll mit der Erlebniswelt gelingen …

Genau! Wir brauchen einen Frequenzbringer, das fordert die Politik schon seit Jahren. Ein Kaufhaus wie der Langer kann das heutzutage nicht mehr leisten, diese Zeiten sind vorbei. Vor dieser Herausforderung stehen alle Städte unserer Größenordnung. Viele denken über Konzepte nach, manche haben vage Ideen, andere haben noch gar keinen Plan. Es gibt etliche Studienarbeiten, die sich damit beschäftigen. Die Schlagworte lauten hier „Wohnen“, „Leben“, „Arbeiten“ und „Erleben“ – und wir haben dafür ein Konzept. Ich bin überzeugt davon, dass die Erlebniswelt einen erheblichen Beitrag leisten und Frequenz in die Innenstadt bringen kann. Wir wollen dafür alle einbinden, die mitwirken wollen, egal wie – und selbst wenn noch keine konkrete Idee besteht. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Erlebniswelt nur einer von vielen Bausteinen sein kann.

Was bietet die Erlebniswelt konkret?

Zunächst einmal ist mir wichtig zu erklären: Die Erlebniswelt hat ihr Herz natürlich im Kultur- und Begegnungszentrum, sie erstreckt sich aber über ganz Schlüchtern und somit auch über alle Stadtteile. Die Erlebniswelt ist ein ganzheitliches Konzept zum Spielen und Entdecken, zum Lernen, für virtuelle Erlebnisse, zum Entspannen und Genießen, für Events, in gewissem Umfang auch für Kinoangebote, Arbeiten, Kultur, Tourismus und die Vereine. Die Erlebniswelt soll Schlüchtern und alle Stadtteile bekannter machen, touristische Frequenz bringen, Kaufkraft binden. Alle sollen profitieren: Gastronomie, Hotellerie, Einzelhandel, Vereine, Künstler, Veranstalter und mehr. Sie soll Visitenkarte für die Stadt und Türöffner für den Bergwinkel sein.

An wen richten sich die Angebote?

Einmal an alle Schlüchternerinnen und Schlüchterner, egal ob jung oder alt. Ein paar Beispiele: Kinder können in der Fantasiewelt auf zwei Ebenen klettern, entdecken und sich motorisch entwickeln. Einheimische und Auswärtige können spielerisch etwas über die Geschichte unserer Stadt erfahren. Unternehmen können mit ihren Mitarbeitenden Teamevents veranstalten und Virtual-Reality-Spiele spielen. Gruppen können Escape-Room-Rätsel lösen. Eltern können ihre Kinder in gute Hände geben, um mal zum Arzt zu gehen oder zu shoppen. In Zusammenarbeit mit Veranstaltern, Künstlern, Vereinen und interkommunal mit unseren Nachbarkommunen können Thementage, Geburtstagsfeiern, Sport- und Freizeitangebote, Open-Air-Kino, Mal- und Kochkurse, Ausstellungen, Legowochen, Tenniscamps, Fußballturniere, Pfadfinder- oder Outdoorerlebnisse und noch vieles mehr angeboten werden. Und das Ganze soll natürlich auch Touristinnen und Touristen von Nah und Fern anlocken, die unsere wunderschöne Heimat wertschätzen und entdecken möchten. Ich möchte noch einmal ganz deutlich betonen: Alle sind dazu eingeladen, sich bei uns zu melden, selbst wenn noch keine konkrete Idee besteht: Privatleute, Künstler, Vereine, Wirtschaftsbetriebe, Institutionen. Gemeinsam können wir ein spezielles Erlebnis entwickeln, und jeder profitiert davon.

Welche Aufgaben haben Sie aktuell vor der Brust?

Wir konzipieren momentan alle Leistungen und Produkte, die wir über die Erlebniswelt anbieten wollen und kalkulieren auch die Preise dafür. Für die Umsetzung des Marketingkonzeptes brauchen wir als Partner eine Agentur. Diese Leistungen haben wir gerade ausgeschrieben. Die Vergabe ist im ersten Quartal 2023 vorgesehen. Es sind viele Detailfragen zu klären, zum Beispiel: Wie organisieren wir uns so effektiv, dass wir den Personalaufwand so gering wie möglich halten? Wie koordinieren wir die Prozesse im neuen KUBE und in der Erlebniswelt, um bestmögliche Zusammenarbeit mit allen Partnern zu ermöglichen? Wie viele Mitarbeiter benötigen wir perspektivisch in der SEG und der Erlebniswelt und wie gewinnen wir diese Leute für uns? Wir müssen mit Hochdruck an die Umsetzung des Konzeptes gehen, damit wir zur Eröffnung der Erlebniswelt auch die gewünschte Resonanz erzielen. Daneben laufen die Planungen für den barrierefreien Wohnraum.

Und was ist schon alles passiert?

Wir haben einerseits die Gesellschaft aufgebaut mit allem, was an administrativem Aufwand daran gekoppelt ist. Wir haben eine Struktur für die weiteren Aufgaben entwickelt, die Konzepte für die Erlebniswelt und den bezahlbaren Wohnraum erstellt und sie mit Politik und Aufsichtsrat abgestimmt. Und jetzt treiben wir all das voran und füllen es mit Inhalt.

Was genau passiert mit der SEG, wenn die Erlebniswelt fertig und der bezahlbare Wohnraum gebaut ist?

Dann müssen wir uns um den profitablen Betrieb der Erlebniswelt kümmern. Das Konzept soll ständig weiterentwickelt werden und dafür sorgen, dass die Angebote dauerhaft erfolgreich am Markt platziert werden. Und der bezahlbare Wohnraum muss ja nicht nur gebaut, sondern auch vermietet, verwaltet und betreut werden. Das Management der stadteigenen Immobilien ist ebenfalls eine dauerhafte Aufgabe.

Welche Ziele haben Sie für dieses Jahr?

Ende 2023 eröffnen wir die Erlebniswelt. Schon im Laufe dieses Jahres wollen wir mit den Bauarbeiten für den sozialen Wohnraum beginnen. Außerdem möchten wir uns um die ersten stadteigenen Immobilien kümmern und Friedhof, Rathaus, Stadthalle und die Dorfgemeinschaftshäuser betreuen. Wir haben also einiges auf der Agenda. Ich freue mich sehr auf dieses Jahr.

Zur Person:

Werner Bensing ist systemischer Coach und Unternehmensberater und kommt aus dem Schlüchterner Stadtteil Wallroth. Der 63-Jährige ist gelernter Bankkaufmann und Betriebswirt, war insgesamt fast zwei Jahrzehnte in der Finanzwirtschaft tätig und leitete acht Jahre lang ein systemisch-integratives Gesundheitszentrum.

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